Ein Besuch bewegender Art

Foto: Anna Geisler

Kirche und Faschismus: Die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf

Bedrückende Leere. Monumente, die nachdenklich stimmen. Die schwer wiegende deutsche Geschichte zwischen 1933-1945 ist deutlich spürbar an diesem Ort.


Monumente, die nachdenklich stimmen. Foto: Anna Geisler

Das Bauwerk in der Riegerzeile 1a repräsentiert in bemerkenswerter Weise die damaligen gesellschaftlichen Zustände. Mit dem Aufstieg der Deutschen Christen und der Einführung des Reichskonkordats am 20. Juli 1933 durch von Papen waren die kirchlichen Besitztümer und Finanzen gesichert. Dies führte in der Folgezeit des Nationalsozialismus zu einer regen Bautätigkeit sakraler Gebäude. Der Neubau von über 900 Kirchen- und Gemeindebauten ist in dieser Zeit zu verzeichnen. Ein besonders eklatantes Beispiel dieser Bautätigkeiten findet sich in Mariendorf: die Martin Luther Gedächtniskirche.

Der Bau der Martin-Luther-Gedächtniskirche begann am 6.9.1933. Der Architekt Curt Steinberg hatte bereits 1927 die Planung des Gemeindehauses übernommen. Bei der hakenkreuzbeflaggten Grundsteinlegung am 22.10.1933 hielt der damalige Pfarrer Rieger, nach dem noch heute die zur Kirche führende Stichstraße benannt ist, eine stramme regimetreue Rede. Der tiefe Einfluss der Nationalsozialisten auf das Christentum wird noch deutlicher, als bei der Einweihung der Kirche am 22.12.1935 neben Kirchen- auch Nazilieder gesungen wurden.

In der gesamten Kirche finden sich Symbole der Verknüpfung von Politik und Religion. Den Eingangsbereich dominiert ein mit einem Eisernen Kreuz verzierter Kandelaber, unter dem Hindenburgs und Luthers Konterfeis aus Terracotta zu finden sind.

Betritt man den eigentlichen Kirchenraum, fällt einem zuerst der mächtige Triumphbogen mit seinen ca. 800 Terrakotta-Fliesen auf (Bildhauer war Heinrich Mechenburger). Hier finden bzw. fanden sich nationalsozialistische Motive direkt neben christlicher Symbolik. Die Vielzahl der Hakenkreuze und das Zeichen der NS-Volkswohlfahrt wurden nach dem Kriegsende wieder entfernt. Die Kanzel und das Taufbecken (Hermann Möller, 1935) der Kirche zeigen damalige Mariendorfer Gemeindemitglieder in SA- Uniform und in Festtagsanzug.

Die imposante Orgel der Kirche stammt von der Firma Walcker (1935). Bevor sie in der Kirche installiert wurde, wurde sie erstmalig auf dem Reichsparteitag in Nürnberg gespielt, auf dem die Nürnberger Gesetze verkündet wurden.

Im Jahr 2003 wurden bereits der Kirchturm und die Empore der Kirche wegen Bauschäden gesperrt. Die jetzt denkmalgeschützte Kirche wird zur Zeit mit 3,5 Mio Euro unter Leitung der Stattbau GmbH saniert und soll im Jahr 2011 mit einem neuen Nutzungskonzept (Gottesdienste, Bildungs- und Kulturkonzepte) wieder eröffnet werden.

Generell ist dieser Teil Geschichte sehr differenziert zu betrachten!

Viele der 18.000 Pfarrer der ev. Landeskirchen schworen freiwillig ihren Eid auf Adolf Hitler. Der katholische Bischof v. Gahlen rief in seiner Weihnachtspredigt in Münster zum Eintritt in die NSDAP auf. Es gab aber auch den Widerstand kleinerer Kirchengemeinden und der bekennenden Kirche gegen das Regime.

Zur Zeit macht die Ausstellung - „Blut und Geist - Bach, Mendelssohn und ihre Musik im Dritten Reich“ des Bachhauses Eisenach Station in der Martin-Luther-Gedächtniskirche. (23.04-18.07. 10).

Veranstaltungskalender
der MLGK: www.mlgk.de und www.bfgg.de

Thomas Geisler


Juli 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis