Liebeserklärung an das Wienerische

Wiener Wiesensteckerl (links) und Peggy (rechts) aus Friedenau. Foto: Hartmut Ulrich

Nimm ein Sackerl für dein Gackerl!

„Bitt` schön, nehmens doch ein Sackerl für`s Gackerl“. Haben Sie in Berlin schon einmal eine solche freundliche Bitte gelesen? Nein? Wie auch? Denn was in Wien üblich ist, gehört in unserer Stadt leider nicht zum normalen Umgangston.

Was ist bloß anders in Wien?
Im Jahre 2006 startete die Stadt eine Informationskampagne. Gesucht wurden Entwürfe zum Thema: „Stärkung der Eigenverantwortung der Wiener HundehalterInnen bei der Entfernung von Hundekot im öffentlichen Raum“ (Quelle: Presse- und Informationsamt der Stadt Wien vom 13. April 2006).

Einen Monat lang hatten anschließend die BürgerInnen der Stadt die Möglichkeit zur Beurteilung der Entwürfe. Klarer Favorit war der lustige Jack Russell Terrier mit dem „Wiesensteckerl“.

Inzwischen sind bis April 2010  25.000 „Wiesensteckerl“ und ca. 1900 „Sackerlspender“ (Hundeset-Automaten“) mit „Gratissackerln“ an beliebten Tatorten wie Baumscheiben, Grünflächen, Blumenbeeten und Straßenbegleitgrün installiert (siehe www.wien.at). Fehlt mal ein Sackerl, genügt ein Anruf beim sogenannten Misttelefon. Die Entsorgung der „Hundstrümmerl“ wird regelmäßig  von „WasteWatchern“ kontrolliert.

Vergehen bei Sauberkeitsverfehlungen kosten 36 Euro als „Organmandat“. Hartnäckigen HundehalterInnen droht eine Anzeige bis zu 1.000 Euro Strafe, bei ganz hartnäckigen Sündern bis zu 2.000 Euro. In einer Pressekonferenz vom 21. April 2010 verwies die zuständige Umweltstadträtin Ulli Sima auf die Erfolge der Kampagne und  zudem auf die Zufriedenheit von 87% aller WienerInnen. Täglich landen ca. 47.000 Sackerl in den zahlreich aufgestellten „Mistkübeln“. Bei einer Zahl von  52.000 gemeldeten wienerischen Hunden ist das doch eine imposante Bilanz, oder?

Zurück zu Berlin! Wäre eine ähnliche Aktion auch in unserer Stadt und unserem Bezirk denkbar? Auf meine Anfrage beim Ordnungsamt Tempelhof-Schöneberg antwortete Herr Wunderling am 29. April: „Die Aktion der Stadt Wien war eingehend geprüft worden, aber auf die Stadt Berlin nicht übertragbar gewesen. Um dem Problem des Hundekots zu begegnen, starteten die Berliner Ordnungsämter eine Kampagne für saubere Straßen ohne Hundekot gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Schulen, Initiativen, Tierarztpraxen sowie Unternehmen. Die Ordnungsämter haben diese Kampagne mit vielfältigen Aktionen vor Ort, Flyern und Plakaten durchgeführt. Sie wurde durch die BSR unterstützt, die über 50.000 Hundekottüten zur Verfügung stellte. Auch Medienvertrer/innen begleiteten die Aktion. Der im Zuge dieser breiten Öffentlichkeitsarbeit entstandene Flyer wird bis jetzt allgemein verteilt, und natürlich werden festgestellte Verstöße geahndet. Es gibt (größtenteils in Schöneberg) 19 Dogstations, die von der Firma WALL aufgestellt werden. Es scheint jedoch schwierig, dadurch andere Hundehalter, als die, die sowieso schon den Kot weg machen, zur Benutzung von Tüten zu bewegen. Das Bezirksamt Mitte macht wieder eine breiter angelegte Aktion zu Hundekot; das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist dieses Jahr ressourcenmäßig in der Erarbeitung einer Imagekampagne alle Ordnungsämter betreffend gebunden.“

Friedenauer Kinder haben inzwischen einen eher künstlerischen Ansatz zum Umgang mit den Hundstrümmerln entwickelt. Sie haben zwar keine Kothaufen entfernt, wohl aber mit umweltneutraler (!) roter Farbe markiert, die offenbar vor dem Betreten derselben warnen und gleichzeitig auf die Eigenverantwortung der Hundehalter zur Kotbeseitigung aufmerksam machen sollen.
Eine nachdenkenswerte Aktion !?

Hartmut Ulrich


Juni 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis