(Wilde) Tiere im Kiez

Foto: Ray eye

Sie wollen alle nur das Eine!

1. Akt: Eine Spätsommernacht im letzten Jahr in einem Friedenauer Hinterhaus, 4. Stock, ca. 4 Uhr morgens. Die Terrassentür steht offen. Geräusche, wir werden wach, erahnen einen Schatten.

Vorsichtige Bewegungen im Bett, der Schatten huscht durchs Zimmer. Wesentlich zu klein für einen Einbrecher, definitiv zu groß für eine Maus. Langsam gewöhnen sich unsere Augen an die Dunkelheit und erkennen – ein Eichhörnchen! Ich bitte Sie: Ein Eichhörnchen in einem Schlafzimmer im 4. Stock mitten in Berlin! Braucht schon ´ne Minute, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Mein Mann reagiert recht fix: „Keine Panik“ meint er schlaftrunken, „das will nur an die Nüsschen“. Zieht die Bettdecke hoch, dreht sich um und schläft weiter. Das Eichhörnchen hechtet in großen Sprüngen auf die Terrasse und von dort in die Bäume.
Tatsächlich waren bei der Inspektion am nächsten Morgen die Erdnüsse auf dem Fernsehtischchen ziemlich dezimiert …

2. Akt
Ein Märznachmittag in diesem Jahr, die Schneedecke hat sich endlich verflüchtigt, ich bereite die Pflanzgefäße auf der Terrasse für die Frühlingsblumen vor. Und finde in der Erde: Unmengen von Walnüssen! Wir haben in der ganzen Umgebung nicht einen Walnussbaum! Einige haben bereits gekeimt, wo kommen diese Nüsse her? Ich werfe sie alle weg.

3. Akt
Einige Tage später an einem Nachmittag: Das Eichhörnchen ist wieder da! Schaut sich kurz im Schlaf-zimmer um, tobt einmal über die Terrasse und verschwindet wieder in die Bäume. Ich habe das Gefühl, dass es etwas nervös ist.

Der Gedanke an dieses Eichhörnchen lässt mich nicht los, und irgendwann komme ich auf den Zusammenhang (manchmal schalte ich tatsächlich etwas spät): Natürlich, es hatte seine Wintervorräte an Walnüssen (wo auch immer sie herstammen mögen) in meinen Pflanztöpfen vergraben und die hatte ich ja nun alle entsorgt!
Das arme Tier!
Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen kaufe ich auf dem Markt neue Walnüsse und vergrabe sie wieder in den Pflanztöpfen (die mangels Frühlingswetters immer noch der Bepflanzung harrten), einige lege ich als Lockhinweis oben auf. Und dann warte ich wieder auf das kleine Pelztierchen.  

4. Akt
April. Das Eichhörnchen ist noch nicht wieder aufgetaucht, vermutlich ist es total beleidigt, kann man ja verstehen. Dafür haben wir jetzt eine ganze Krähenfamilie, die sich begeistert über die Leckereien in den Pflanztrögen hermacht, Nuss für Nuss aus der Erde wühlt und in ihren großen Schnäbeln fort trägt.

Sollen sie. Für das Eichhörnchen denke ich mir etwas Neues aus. Vielleicht vertragen wir uns dann ja wieder.

Rita Maikowski

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Juni 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis