Friedenauer Landpartie

Idylle im Café Andas. Foto: Andas


Der Grill mitten im Friedenauer Garten

Schon vor den Zeiten der großen Stadterweiterung, als die stadtmüden Berliner noch nicht in den Flieger nach Mallorca steigen konnten, strebten sie als Erholungsuchende bereits auf das Land.

Nur machten sie sich damals noch zu Fuß auf und erst später auch mithilfe von Pferdestärke in der Kalesche. Aus dem Potsdamer Tor kommend, setzten sie über den Schafgraben, der später zum Landwehrkanal erweitert wurde, strömten den Schöneberger Sandweg entlang, der später zur Potsdamer Straße ausgebaut wurde und landeten schließlich im Garten einer Mühle oder eines Bauernhofes, um dort zu rasten, wo heute fünfstöckige Mietshäuser den märkischen Sand bedecken.

Der gefundene Interessenausgleich zwischen Stadtflüchtlingen und Landbewohnern fand seinen sichtbaren Ausdruck in dem sich schnell ausbreitenden Brauch, am Gartenzaun ein Schild anzubringen mit dem Hinweis: “Hier können Familien Kaffee kochen“, was auch die späteren Gasthäuser auf dem Lande beibehielten. So heißt es noch 1910 in einem Bericht von A. Nalli-Gutenberg: “Man brachte den gemahlenen Kaffee mit nebst obligatem Kuchen oder Zwieback. Das Quart Milch, das einem gespendet wurde, bezahlte man mit drei Silbergroschen. Dafür erhielt man das kochende Wasser und das nötige Kaffeegeschirr.“

Im selben Bericht wird von einem Geburtstagsfest für „Onkel Spiller“ in einem Mühlengarten erzählt, wofür „die vorsorgliche Tante einen ganzen Handwagen voll Esswaren – Flammeris mit Fruchtsaucen, süßes Gebäck usw. – von einem Schlosserlehrling (!) hinausbefördern ließ, während wir Kinder mit ihr in fröhlichem Zuge die süße Ladung begleiteten.“

Ein Friedenauer Dornröschenkuss
Weil inzwischen alles anders geworden ist, muss man selbst im relativ gut erhaltenen Friedenau aufmerksam suchen, um etwas von dem Vergangenen wiederzuentdecken. Doch in der Rheingaustraße, zwischen der gleichnamigen Schule und der Bornstraße, hat sich ein kleines Gartenrestaurant erhalten, in dem das Vergangene wieder Gegen-wart geworden ist. Hier können tatsächlich Familien oder Freunde ihr zuhause vorbereitetes Es-sen mitbringen und auf einem im Garten wartenden Gasgrill erwärmen oder etwa eine Bratwurst auflegen. Wie früher wird das Geschirr zur Verfügung gestellt, bezahlt werden nur die Getränke. Verständlicherweise erwartet der Wirt aber einen kleinen Obolus für das verbrauchte Gas und die Reinigung des Grills, etwa wenn mit Marinaden hantiert wurde.

Übrigens hat der Name dieser Erholungsstätte eine Geschichte, die gut zu diesem Rückänderungsprogramm passt. Als der Wirt nach der Übernahme des Geschäftes im Gewerbeamt den gewünschten Namen für seine Gaststätte angeben sollte, antwortete er: “Andas“. Darauf lächelte der Beamte und meinte: “Natürlich will jeder seinen Laden zu etwas Besonderem machen. Aber ich wollte wissen, wie er heißen soll. “Darauf wieder der Wirt: “Café Andas“. Und nun wieder der Beamte: “Hören Sie, dass Sie den Betrieb anders machen wollen als üblich, habe ich verstanden, ich brauche für den Eintrag ins Register den Namen!“ Woraufhin der Wirt zur Überraschung seines Gegenübers buchstabierte:“ANDAS“.

Wer seinen Aufenthalt dort „andas“ als mit Essen verbringen will, kann auch an den Tresen wechseln. Er findet dort leicht Menschen mit weitgespannten Interessen und Erfahrungen, sodass ausgedehnte Diskussionen üblich sind. Ich selbst habe es ausprobiert und bin so spät nach Hause gekommen, dass ich den Redaktionstermin verschlafen habe.

Ottmar Fischer

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Juni 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis