Selbsthilfegruppe im Nachbarschaftsheim


Diagnose: Reizdarm


Schon seit mehreren Jahren gibt es im Nachbarschaftsheim eine Selbsthilfegruppe für am Reizdarm-Syndrom (RDS) erkrankte Menschen. Jeden 4. Donnerstag im Monat finden die Treffen von 19 - 21 Uhr in der Holsteinischen Straße statt. Seit April letzten Jahres ist Anja Dombrowski Ansprechpartnerin der Gruppe.

Frau Dombrowski, Sie sind selbst von der Krankheit betroffen und engagieren sich aktiv für die Selbsthilfegruppe im Nachbarschaftsheim Schöneberg. Können Sie beschreiben, was die Diagnose Reizdarm bedeutet?
Das RDS umfasst funktionelle Verdauungsstörungen unterschiedlicher Art. Die Symptome reichen von Verstopfung, Durchfall, Blähungen bis hin zu Magenbeschwerden wie Völlegefühl und Übelkeit. Belastend sind insbesondere auch Schmerzen und der Stuhldrang. Viele Betroffene haben durchfallartige Krämpfe z. B. nach dem Essen. Wenn solche Beschwerden länger als zwei Monate vorliegen, könnte es sich um RDS handeln.

Gibt es Untersuchungen bzw. Tests, mit denen man ein Reizdarm-Syndrom nachweisen kann?
Viele Mediziner sagen, dass es keinen organischen Befund gibt. RDS ist eine Ausschlussdiagnose, es wird aufgrund der Beschwerden diagnostiziert, wenn andere Krankheiten ausgeschlossen sind. Allerdings gibt es Studien, die bei 30% der Betroffenen eine Entzündung in den Darmzellen nachgewiesen haben. Oft treten RDS-Symptome auch nach Infektionen und langer Einnahme von Antibiotika auf.

Welche Rolle spielen psychische Faktoren?
Wir Betroffenen wehren uns immer ein wenig dagegen, in die "Psycho-Ecke" gestellt zu werden. Die Angstgefühle, die viele an RDS Erkrankte haben, sind oft eher Folge als Ursache der Erkrankung. Wer ständig unter Durchfällen oder heftigen Schmerzen leidet, fühlt sich irgendwann entsprechend schlecht. Da geht es dann eher darum, einen Weg zu finden, mit der Krankheit und den Ängsten umzugehen.

Wie hilft Ihrer Erfahrung nach die Selbsthilfegruppe dabei?
Viele Betroffene haben schon alles Mögliche ausprobiert bevor sie in die Gruppe kommen: Medizin, Psychotherapie, alternative Heilmethoden. Sie fühlen sich durch die Krankheit häufig isoliert und haben das Gefühl, von Ärzten und Freunden nicht ernst genommen zu werden. Das Bedürfnis einfach mal über die Probleme zu sprechen, ist sehr groß. Es gibt viele Fragen und in der Selbsthilfegruppe können wir unsere Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig beraten. Zum Beispiel, wie man einen kompetenten Arzt findet.

Besteht nicht auch die Gefahr, durch das Reden über die Krankheit zusätzlich belastet zu werden? Dreht sich dann nicht erst recht alles nur noch um die Krankheit?
In meinem Fall kann ich sagen: ich bin sowieso tagtäglich mit meiner Krankheit konfrontiert. Mir tut es eher gut, wenn ich mich mitteilen kann. Ich erlebe es aber so, dass bei uns Betroffenen ein großer Wunsch nach Veränderung existiert. Trotz der Krankheit haben wir auch Freude am Leben und viele Menschen suchen eine Möglichkeit, ihre Isolation zu überwinden. Gerade neue Teilnehmer sind anfangs enttäuscht, wenn sie merken, dass wir kein "Wunder-mittel" anbieten können. Ich denke aber, dass jeder für sich etwas Positives aus der Gruppe mitnimmt.

Betrifft RDS denn mehr Frauen und gibt es auch Männer in der Gruppe?
RDS betrifft rein von den Zahlen her mehr Frauen als Männer. In der Gruppe sind deshalb meist mehr Frauen zu finden, was aber vielleicht auch daran liegt, dass es Männern schwerer fällt, über ihre Probleme zu sprechen und an einer Gruppe teilzunehmen. Es gibt aber viele engagierte Männer, die sich in der Selbsthilfe engagieren.

Ist Ihre Gruppe denn weiterhin offen für neue Teilnehmer?
Wir sind eine offene Gruppe, Betroffene können gerne vorbeikommen oder vorher über mich oder das Nachbarschaftsheim Kontakt aufnehmen. Es ist schön, wenn es einen "festen Kern" von Teilnehmern gibt, die regelmäßig kommen, damit eine Kontinuität gewährleistet ist. Gut besucht sind Veranstaltungen, die wir organisieren, z. B. wie kürzlich ein medizinischer Vortrag. Das möchten wir auch in Zukunft anbieten.

Das Interview führte Isolde Peter.

Kontakt zu der Selbsthilfegruppe
über Anja Dombrowski
Tel 030/80613983 oder
info(at)reizdarmsyndrom-hilfe.de

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März 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis