Ivonne Schwarz' textile Wandlungen

Modell aus zwei Hemden

Eine Hose ist keine Hose ist keine Hose...

Die Fashionweek ist vorbei, aber in Friedenau gibt es ja auch Modedesigner - ich bin gespannt auf das Outfit von Ivo Schwarz. Was trägt man wohl so, wenn man sich in dieser glamourösen Szene tummelt?

Auf den ersten Blick: normale Kleidung. Obenrum schwarz-weiß, unten Jeans. Naja, ich hätte vielleicht nicht gleich eine Modenschau erwarten dürfen... Ivo Schwarz führt mich in ihr Atelier, ein helles Erkerzimmer zur Schmiljanstraße hinaus, voller Nähmaschinen, Stoff und Kleiderständer. Da hängt sie, die Kollektion!!! Aber Geduld, erstmal will ich wissen, wie man eine Modedesignerin wird. "Das war Zufall, denn ich habe keinen Studienplatz für Architektur bekommen und mich deshalb beim Letteverein beworben." Nach dem Abschluss, unter anderem in Schnittkonstruktion und Design, begann sie schließlich in einer Firma, vom Entwurf bis zum Verkauf in allen Bereichen ihres Berufes zu arbeiten. "Aber irgendwann wollte ich noch mehr in die Tiefe gehen und begann ein Studium als Produktdesignerin", erzählt sie. "Nur merkte ich bald, dass mich eigentlich nur textile Gestaltung interessiert."

Inzwischen waren die Kinder gekommen, da muss man auch an die Finanzen denken, doch wo andere vielleicht von ökonomischen Zwängen ächzen würden, findet Ivo Schwarz ihre künstlerische Freiheit. Ihr Brot verdient sie nun in einem schicken Designerladen in Mitte, ihre eigenen Schöpfungen gestaltet sie aber unabhängig von allen Modeströmungen oder Publikumserwartungen. Sie zeigt sie auf Ausstellungen, zum Beispiel als Teil einer Installation, wo sie etwa einen Bettvorleger aus Unterwäsche anfertigte, oder bei Modeschauen, zuletzt anlässlich der Ausstellung "Tuchintarsien" des Dahlemer Museums.

Mode fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden, denn sie bringt Status, Einstellung und geistigen Horizont ihrer Träger zum Ausdruck. Schon vor einem halben Jahrtausend setzten Schneider ihren Ehrgeiz darein, ihre Kleidung möglichst exquisit und ungewöhnlich zu machen. Kirchliche und geistige Regenten sahen in teurer modischer Extravaganz denn auch eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung und erließen immer neue Kleiderordnungen, deren Nichteinhaltung mit Geldbußen oder gar Haftstrafen geahndet wurde. Vergeblich übrigens - die eitlen Bürger fanden immer neue, nicht aufgelistete modische Finessen...
Diese Seite von Mode ist es, die Ivo Schwarz besonders interessiert, und damit empfindet sie sich am Schnittpunkt zwischen marktbezogenem Design und freier Kunst.

"Jedes Jahr kommen neue Kollektionen auf den Markt, und zwar nicht nur zum Wechsel der Jahreszeiten, sondern auch noch mehrmals dazwischen. Ständig wechselt das Angebot, und immerzu wird suggeriert, man müsse seinen gesamten Schrankinhalt auswechseln, um modisch mithalten zu können. Ich möchte mit meinen Arbeiten den Blick auf Kleidung erneuern. Muss mein Rock wirklich ein Rock sein, oder könnte er auch etwas anderes sein? Deshalb wollte ich irgendwann nicht mehr mit eigenen Entwürfen und gekauften Stoffen arbeiten, sondern nehme bereits Vorhandenes und überlasse mich dann wie in einem Rausch meinen Eingebungen."

Ich lasse meinen Blick auf Ivo Schwarz ruhen. Irgendetwas an ihr hatte mich die ganze Zeit irritiert. Wieso eigentlich, sie sieht doch ganz normal aus - oder? Ich schaue genauer. Der Schal da um ihren Hals. Das ist doch - ist das nicht - ja wirklich: Es ist ein weißer Hemdsärmel! Verschieden gerafft und mit Pailletten bestickt, und dann an einem gestreiften Schal angenäht! Und die Beine der Jeans enden in Jogginghosenbeinen...

Nun will ich aber doch sehen, was da auf den Kleiderständern hängt! Sofort bekomme ich Lust, mir selbst eine Schere zu greifen. Vollkommen respektlos schneidet Ivo Schwarz Ärmel ab und Futter auf, näht Hemden zu Rüschen und heftet sie an Rockschöße, krempelt das Innere nach außen und stickt Haikus darauf, verbindet ein Sakko unauflöslich mit einer Hose zum Frack, schlitzt Röcke auf und macht sie zur Stola oder näht zwei Jacken zu einem Blouson zusammen, der auch als barocker Rock zu tragen ist. Aber am besten gefällt mir der abgebildetete Anzug, der aus zwei Hemden zusammengesetzt ist: eins oben, eins unten. "Doch doch," sagt Ivo Schwarz, "die Beine passen sehr gut durch die Ärmel!" Ganz unten enden sie in Socken.
Ich muss gleich mal meinen Kleiderschrank durchsehen!

Wer zu Ausstellungen und Modenschauen eingeladen werden möchte, kann sich bei Ivo Schwarz melden: ivo-schwarz(at)t-online.de

Sanna von Zedlitz

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März 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis