Eine Gemeinschaftschule für Friedenau geplant

Haus Paul der Peter-Paul-Rubens-Schule. Hier ziehen die 7. Klassen der neuen Sekundarschule ein. Foto: Hans Markert

Die neue Sekundarschule


Am 14.1.2010 hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, alle 153 Haupt-, Real- und Gesamtschulen in Berlin aufzulösen und stattdessen 130 integrierte Sekundarschulen zu gründen. Daneben wird es weiterhin Gymnasien geben (mit Abitur nach 12 Schuljahren).

Ziel der Sekundarschule ist eine „individuelle Förderung und gemeinsames Lernen ab Klasse 7“, „integrative Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ und „ein bestmöglicher Schulabschluss für alle Schüler“ (zitiert aus Papieren von Sen.Schul.). Ein Sitzenbleiben soll es nur noch in Ausnahmefällen und im Einvernehmen mit den Eltern und Schülern geben.

Wie die Umsetzung konkret aussieht, zeigt das Beispiel des künftigen Verbunds aus den bisherigen Schulen am Tempelhofer Weg (Teske-OR), Otzenstraße (Waldenburg-OH) und Grazer Platz/Rubensstraße (Peter-Paul-Rubens-Grundschule): Zum neuen Schuljahr wird die 7. Klasse mit geplanten vier Zügen in die neue Sekundarschule am Grazer Platz einziehen. Die jetzigen Klassen der Teske- und der Waldenburgschule laufen an den alten Standorten aus.

Am Grazer Platz werden drei jetzt von der Volkshochschule genutzte Räume geräumt werden müssen. Trotzdem wird es nach Aussagen von Schulleiter Uwe Runkel (P.-P.-R.-Grundschule) im neuen Schuljahr zwangsläufig eng werden. Auch die Gesamtelternvertretung der Schule macht sich Sorgen über Raumprobleme und über die Frage, ob das gerade erst 2009 eingeführte Prinzip des jahrgangsübergreifenden Lernens in den Klassenstufen 1 bis 3 (JÜL) durch Raumnot gefährdet wird.

Wie es dann 2011 weitergehen soll, ist noch in Planung. Grundsätzlich sind sich die Schulen einig, den Schulverbund zu einer Gemeinschaftsschule auszubauen, möglichst schon zum Schuljahr 2011/12. Darin soll auch die Prignitz-Schule in der Pöppelmannstraße (Förderzentrum des Bezirks Tempelhof-Schöneberg) einbezogen werden. Für die dann etwa 1.000 Schüler werden dann vier Gebäude zur Verfügung stehen (Grazer Platz, Pöppelmannstraße, Rubensstraße und Otzenstraße). In einer Gemeinschaftsschule werden Schüler von der Einschulung zumindest bis Klasse 10, möglichst sogar bis zum Abitur (in der Regel nach 13 Schuljahren), gemeinsam unterrichtet. Seit dem Schuljahr 2008/09 gibt es bereits Gemeinschaftsschulen als Pilotprojekte in der Stadt.

Die neue Sekundarschule möchte - der Senatsempfehlung folgend - die individuelle Förderung möglichst ohne äußere Differenzierung durchführen. Es ist z.B. von Team-Teaching durch zwei Lehrer in einer Lerngruppe die Rede, aber es sind auch andere Organisationsformen im Gespräch. Wie weit das möglich sein wird, hängt natürlich von der räumlichen Situation und vom Unterrichtsmaterial, vor allem aber vom Personalschlüssel ab.

Im Entwurf für „Zumessungsrichtlinien für Lehrerstunden“ vom 12.4.2010 – Bestätigung durch das Abgeordnetenhaus fehlt noch – sind pro Schüler der Sekundarschule 1,45 Lehrerstunden vorgesehen. Zum Vergleich: Die bisherige Gesamtschule hatte genau diese 1,45, die Realschule 1,34, die Hauptschule 1,63 Lehrerstunden pro Schüler. Gegenüber der bisherigen Realschule verbessert sich die Schüler-Lehrer-Relation also geringfügig, gegenüber der alten Hauptschule verschlechtert sie sich.

Dass die oben genannten Ziele der Reform ehrwürdig sind, dürfte außer Frage stehen. Ebenso einleuchtend ist, dass der gemeinsame Unterricht von Schülern und Schülerinnen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus einen entsprechenden Personalschlüssel erfordert, der die Unterstützung individueller Lernwege in den Lerngruppen überhaupt erst ermöglicht. Darüber hinaus erfordert diese Unterrichtsorganisation ein ausgesprochen kooperatives Lernklima. Schließlich müssen sich auch noch die Lehrer auf eine veränderte Unterrichtssituation einstellen. Der Senat hat 30 Mio EUR für entsprechende Fortbildungsveranstaltungen der Lehrer bereitgestellt, aber diese Fortbildung ist allein zeitlich schon eine große Belastung. Zusätzliche Mittel für neue Unterrichtsmaterialien sind bisher nicht vorgesehen – aber das kann sich ja vielleicht noch ändern.
Ob die nötigen Voraussetzungen gegeben sind, dass die neue Schulform die Erwartung erfüllen kann, muss sich erst noch erweisen. In jedem Fall ist vor Ort die Strukturänderung im Berliner Schulwesen mit einem enormen Planungs- und Organisationsaufwand verbunden, den Schulleitungen und Lehrer parallel neben ihrem normalen Unterricht leisten müssen. Wäre nicht zumindest für Planung und Organisation eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtungen notwendig?

Hans Markert

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Mai 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis