Theater in Schöneberg

Foto: O-TonPiraten

Das O-TonArt und seine O-TonPiraten


Sie sind die ganz Großen der Bühnenkleinkunst: Die O-Ton Piraten des O-TonArt im Kulmer Kiez. Größer wollen sie auch nicht gesehen werden. Bescheidenheit macht sie zum Anfassen, Können zu einem Faszinosum. "Wir machen Entertainment in bestem Sinne, aber keine große Kunst", sagt Theodor van den Boom und weiß, wenn er weiter sagt "wir haben das Playback zu einer neuen Kunstform erhoben", dass sie anders sind als all die anderen.

Die O-TonPiraten widerlegen die Behauptung, Playback gäbe dem Darsteller keine Möglichkeiten. "Aus einer synchronisierten Geschichte bauen wir eine neue mit neuen Plots. Wir bringen den Film auf die Bühne, aber anders dargestellt. Wenn Donald Duck sich mit der Bergmann über den Kaiser von China unterhält, bleiben überraschende Wendungen nicht aus! Und wir bleiben texttreu, auch wenn wir aus einem Lehrer einen Doktor machen!"

Ihre Shows sind einmalig. Alfred Biolek und Harpe Kerkeling sind ihre Fans. Sie entern die Schub-laden Travestie und Playback, sprengen und versenken sie, um als "Bundesligatruppe der Playbackshows" mit Sieben-Tonnern von Bühne zu Bühne zu touren, um sich nach zehn Jahren komplett aus dem Touren-Leben zurückzuziehen. Anfang des Jahres sind sie angekommen. In einem ehemaligen Heizwerk im Hinterhof gestalten sie ihre O-TonArt mit einem einmaligen Genre, dem 100-prozentigen Vollplayback, was nur sie bedienen, in ihrem O-TonArt.

"Sahnehäubchen" Tillmann C. Jakob krönt die Nuancen ihrer Kunst als "i-Tüpfelchen". So kann Komödiant Jochen Paul als Clown die skurril-schräge Welt des Theodor van den Boom mit der des Universalperfektionisten André Fischer zu einer tragischen Welt verleimen, in der der "gebrochene" Chrille Fritz sein gekonntes Leiden zelebriert.

Mit filigran abgestimmter Präzision orchestrieren die farbenreichen Fünf in ihrer hundertminütigen Bühnenshow 100 verschiedene Rollen. Das Tempo ist ungeheuerlich: 15 Sekunden für einen kompletten Kostüm- und Maskenwechsel. Tanz, Spiel und Pantomime sind absolut lippen- und tonsynchron auf Perfektion für eine Authentizität getaktet, die den Raum aus Travestie, Playback und Kleinkunst in eine neue Bühnendimension erhebt.

Am Wickel hat diese Püppi. Als weiß-blonder Schoßhund mit rotem Halsband hält er den Roten Faden in der Pfote. Nach Dienstschluss mutiert Maskottchen Püppi zu einer alten Perücke. Zur Bühnenzeit aber entstehen unter Püppis Schicksalsschutz o-tonartige Welten nach festen Themen wie "Hotel", "Liebe" und "Wasser".

Der Zuschauerzuspruch forderte das "Best Of", gefolgt von der zweieinhalb-stündigen Sandalenshow "Roemisch V". "Das 'Best Of' hat kein Thema. Es ist eine Perlenkette mit Supertempo und wir sind das Schmuckstück darin!" travestiert Theodor van den Boom o-tonartige Bescheidenheit in o-tonpirateske Koketterie.

Sie spielten in der Bar jeder Vernunft, im Quatsch Comedy Club, auf der AIDA, im Hamburger Schmidt Theater, im Kölner Kaiserhof Theater, im Mainzer Forum-Theater unterhaus, im Kreuzberger BKA Theater und im Maxim Gorki Theater. Ihr Stammhaus war das Café Theater Schalotte. Hier feierten die O-TonPiraten ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum und am 14. Januar dieses Jahres eröffneten sie ihr eigenes Theater, das O-TonArt, mit "Roemisch V", einer auf 100 Minuten zeitkomprimierten Sandalen-Reise durch das römische Imperium.

André Fischer, der jahrelang in Kinder- und Jugendtheatern gearbeitet hat, betont, was den O-TonPiraten ein wichtiges Anliegen ihrer Arbeit ist: "Wir sind nicht zotig, wir arbeiten mit Filmen, die auch für die Kids geeignet sind!"

Wie wichtig ihnen das ist, zeigt ihr Mischkonzept. Die O-TonPiraten sichern die Finanzierung des Theaters. Kindern, Jugendlichen und Senioren des Schöneberger Kiezes in der Kulmer Straße soll die Nutzungsmöglichkeit für Projekte gegeben sein. Kostengünstig oder kostenlos.

Am 19. September dieses Jahres wird vor dem Alter St.-Matthäus Kirchhof ein Jetzt-Zeit-Märchen als Musical kreiert, für das die O-TonPiraten noch Rap- und Hip-Hop-ambitionierte Jugendliche zwischen 9 und 15 Jahren mit Lust zum Singen und Tanzen suchen.

Und wer die O-TonPiraten oder einen von ihnen einmal persönlich antreffen möchte, wird vielleicht im pirateneigenen Café Finovo auf dem Friedhof eine skurrile Begegnung der O-TonArt haben.

Arnd Moritz

Theater O-TonArt
Kulmer Straße 20 A
10783 Berlin
Tel: 030 447808
www.o-tonart.de
www.o-tonpiraten.de.

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Mai 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis