Die Friedrich-Bergius-Oberschule

Schuldirektor Michael Rudolph / Foto: Thomas Protz

Perle des Perelsplatzes

Es ist eine eklektizistische Attraktion: Das Bauwerk der Friedrich-Bergius-Oberschule. Nur zu jener Zeit des wilhelminischen Späthistorismus, in der es errichtet wurde, war seine Außen- und Innengestaltung nicht ungewöhnlich.
Schuldirektor Michael Rudolph führt durch die Friedrich-Bergius-Oberschule



Interieur der Schule/ Foto: Thomas Protz


Danach folgten mehrere magere sowie fette Jahre dieser Stadt, in denen diese das Vernichten und Ersetzen unzähliger stattlicher Bauten erleben musste. Der Schulbau an der Handjerystraße hat all diese Jahre überdauert, über 100 Jahre lang. Und so ist das einstige Friedenauer Gymnasium die Perle in der „Auster“ Perelsplatz geblieben.

Das Gebäude wurde zwischen 1901 und 1902 unter der Leitung der Architekten Paul Engelmann und Erich Blunck (1872–1950) errichtet. Der L-förmige Grundriss des Bauwerks wird von einem integrierten, mit dem Wappenrelief Friedenaus geschmückten Kastenturm bestimmt.

Er sitzt im Gelenk des „L“ und verbindet den horizontalen und vertikalen Gebäudeflügel. Dieser mit Ecksteinen verzierte Turm, mit seinen vier Schweifgiebeln, kombiniert die typischen Elemente der Neoromantik und –gotik mit denen des Neobarocks. Er beherbergt ein Glockentonuhrwerk; zwei seiner Giebel sind mit je einem Zifferblatt versehen. Aus drei primären Aufschwungswinkeln der Giebel sprosst ein Pinakel. Inmitten des Giebelgeschosses nistet ein mit Ziegelsteinen überdachter Dachreiter, der noch heute als Aus-sichtskuppel dient.

Auch die Mansardendecken über den beiden Gebäudeflügeln beziehen sich auf die Neoromantik. Die Fassade des Haupteingangsflügels ist durch eine Risalit-Fensteranlage und ein Säulenportal charakterisiert; hier werden Bauelemente ersichtlich, die dem Neobarock zugeordnet werden können. Während die Fenstergewänder im Eingangsgeschoss mit burgenbauartigen Steinquadern versehen sind, sind sie im Dachgeschoss mit Bekrönungen, die den deutschen Heimatstil veranschaulichen, überwölbt. Die in den Tympanon-Türbogen und in den mit Fries dekorierten Risalit-Balkon eingemeißelten lateinischen und deutschsprachigen Schriftzüge (z.B. salus scholae salus civitatis und wie die Saat so die Ernte) und die symbolbeladenen Reliefs (Flora sowie Fauna) weisen konkret auf eine gestalterische Vorliebe der Jugendstilepoche.

Auch im Inneren zeigt der Schulbau seine architektonische Vielseitigkeit. So ist das Haus mit kunstvollen Plinthe-Balustraden, die die Haupttreppenräume begleiten, ausgestattet. Die Handläufe sind mit schmiedeeisernen Geländerführungen im Laubfries-Stil verziert. Die Decken sind kreuzgewölbt; diese, je nach Etage, werden durch Granit- oder Sandsteinpfeiler getragen.

Funktionalität im Inneren hatte neben Formschönheit und Opulenz, bei den beiden Architekten hohe Priorität. Deshalb wurde ein „L“-förmiger Grundriss gewählt: die Schuladministration konnte aus dem Winkel des „L“ auf jeder Etage gut Aufsicht halten. Das Erdgeschoss sowie die zwei daraufsitzenden Etagen sind zudem farbkodiert; die Farb-akzente an Fliesen und Wandleisten sind, von unten nach oben, Grün, Blau und Gelb.

Am Ende des Fußes des „L“ befindet sich eine Aula, die im Zweiten Weltkrieg ausbrannte. Bei ihrer Wiederherstellung in den 1950er Jahren spielten die Formen der Nachkriegsmoderne, mit ihren Geradlinigkeiten, eine starke Rolle. So rundet die Aula – auch wenn so nicht von den ursprünglichen Architekten anvisiert – den Stilpluralismus des Baus ab und führt ihn gleichzeitig zur Gegenwart.

Am 18. April 1903 wurde die Schule, die zu jener Zeit Gymnasium Friedenau hieß, eingeweiht. Heute ist sie nach einem deutschen Chemiker der Ersatzrohstoffforschung benannt. Anfänglich trug auch das umgebende Parkareal, das 1907 angelegt wurde, einen anderen Namen, nämlich Maybachplatz, nach einem preußischen Politiker, der in den Adelsstand erhoben wurde. Der jetzige Platzname erinnert an einen ehemaligen Gymnasiasten der Oberschule, Friedrich Justus Leopold Perels (1910-45). Als Mitglied der Bekennenden Kirche leistete Perels Widerstand gegen den NS-Staat; wenige Tage vor Kriegsende wurde er durch ein Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamts hingerichtet. Weitere Persönlichkeiten, die die Schule im Laufe ihres Lebens besucht haben, sind die Politiker Peter Lorenz und Egon Bahr, sowie die Schauspielerin Hildegard Knef und der Theaterkritiker Friedrich Luft.

Die jetzige Oberschule wird seit 2005 von Michael Rudolph geleitet. Ihm liegt die Pflege der Geschichte des Baus sehr am Herzen. Er führte am Tag des offenen Denkmals durch seine Schule. Erzählfreudig präsentiert Direktor Rudolph seine Schule von außen und innen; interessant und unterhaltsam sind die Geschichten, die er vorträgt. Besonders stolz ist Michael Rudolph auf das neuerrichtete Schulmuseum mit seinen Ausstellungsstücken aus den letzten elf Dekaden, sowie auf die Andenken, die von der Geschichte der Schule erzählen. Diese, neben dem Bau selbst, begeisterten auch die etwa 50 Teilnehmer des etwa einstündigen Rundgangs an dem sonnigen Sonntag des Tages der offenen Tür.

T. W. Donohoe

www.friedrich-bergius-schule

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