Volkskunst im Stadtteil

Wolfgang Leonardt macht seine Kunst preiswert / Collage: Wolfgang Leonardt

Können Schwämme leuchten?

In der „Licht Galerie“ in der Akazienstraße 25 tun sie es. - Zumindest einer. - Zumindest soll er das. - Zumindest bald: Werner Peschke, Inhaber des „Lichtstudios für Halogenlichtsysteme“ hat Teile seiner Schaufensterfront zur Verfügung gestellt, damit Kunst darin gezeigt werden kann, denn schließlich, so sagt er, „lebt ein Geschäft im Kiez auch von Innovationen und Bewegung“.
Wolfgang Leonhardt macht seine Kunst preiswert

Er hat sich eingelassen auf ein längerfristig geplantes Projekt, das sich mit der Zeit entwickeln und wachsen soll. Nach und nach wird die Auslage bestückt, wird ausgetauscht und neu kombiniert. Bestandteile derselben sind kleinformatige Bilder und Objekte, wie eben jener Schwamm, der das Licht der Welt erblickte, damit man mit ihm Töpfe scheuere und der nun, im Verlauf einer ungewöhnlichen Karriere als Ready-made, auf seine Illumination wartet.

Anlassgeber für die ungewöhnliche Koexistenz von Alltagsgeschäft und Kunst ist Wolfgang Leonhardt, der maßgeblich für die vor zwei Jahren gegründete „Volksgalerie“ verantwortlich zeichnet. Sie besteht eigentlich aus 4 Personen, die jeweils zusammen in Erscheinung treten, wenn es nicht den Anfang, sondern vielmehr das Ende einer Ausstellung zu feiern gilt. Dann wird Cello gespielt von Don José, der Ton organisiert von Ricardo Ramirez und Stella di Mare führt via Audio-Guide durch das Finish. Die bildnerische Ebene bestreitet Wolfgang Leonhardt unter dem gleichen Label im Alleingang und häufig dort, wo man es nicht erwartet. Er sei überzeugt, so sagt er, dass der „eingeschlafene Blick der Leute wachgerüttelt“ werden müsse. Als „Didaktik für den Betrachter“ will er Überraschungssituationen erzeugen, um „Wachheit“ zu provozieren, „ähnlich wie bei Brecht der Verfremdungseffekt“.

Seine Irritationen hat er schon des öfteren in Schöneberg ausgestreut und immer in eher kunstfernen Zusammenhängen, dorthin, wo die Ausstellungskonvention nicht hinreicht. Egal ob Glaser, Bäcker oder Feinkostladen: Die „Präsenz zur Straße hin“ interessiert ihn, denn seine künstlerischen Arbeiten sollen im Alltag, „im Vorbeigehen wahrgenommen“ werden.

Die Idee dazu entstand nach dem Besuch einer Galerie in Berlins Mitte: „Die Sachen waren unglaublich teuer“, erklärt Leonhardt und kritisiert das seiner Meinung nach Elitäre an einschlägigen Ausstellungsorten, die „nie oder ganz wenig besucht werden“ würden. Nur die „üblichen neurotischen Kunstzofen“ und „Kunsthysteriker aus Berlin“ gäben sich „in diesen etablierten Kunstfallen ihr Stelldichein“. Anders wäre es jedoch, wenn man die Leute im „öffentlichen Raum“ erreiche und damit zugleich Rücksicht auf etwaige „Schwellenängste“ nähme. „Außerdem“, so betont er, soll „auch derjenige, der wenig verdient“ in die Lage versetzt werden, sich Kunst kaufen zu können.

Diesbezügliche Erfolge kann Wolfgang Leonhardt verbuchen. Das Konzept geht auf. Ab 30 Euro aufwärts kostet eines seiner Durchschnittsformate von 30 x 40 cm. Es sind zumeist Dioramen aus Holz, Pappe und Papier, die als bunte Bildschachteln den Blick in Mini-Theaterkulissen simulieren. Seine ehemalige Ausbildung zum Schauspieler hat ihn darauf gebracht, raumbezogene Bühnenbilder in Miniaturen mit reduzierter Tiefe zu verwandeln. So entstehen dreidimensionale Schaukästen die sich aus Fotocollagen und gemalten Elementen zusammensetzen. Immer wieder sind es dadaistisch-surreale Bildspektakel, die das Thema „Stadt“ zum Inhalt haben. Doch was hier zunächst wie ein Kinderspaß anmutet, ist auf den zweiten Blick disparat und manchmal mit absurden Monstern bevölkert, denn „die Welt“, so der Künstler, sei „schlecht und voller technischer Fehler“.

Einen dieser Fehler sieht er nicht zuletzt in der zunehmenden Digitalisierung unserer alltäglichen Lebenswelt, weshalb er auch das Internet als „Showroom“ für seine Arbeiten ausschließt: „Die Sachen sehen dann ganz anders aus“, sagt er, weil man „Taktiles eben nicht über einen Transfer von Null und Eins“ wahrnehmbar machen könne. Und eigentlich geht es ihm auch darum, dem „Massenwahn der Digitalisierung etwas entgegenzusetzen“. Dem Internet bescheinigt Wolfgang Leonhardt „Beliebigkeit“ und dass dort „so viel Schrott drin ist, so viel Unrat“.

Er selbst hat jahrelang als Sys-temadministrator gearbeitet und leitet heute Multimediagruppen in einer Jugendeinrichtung. Er hält das digitale Medium für etwas, das „die Menschen hypnotisiert, so dass sie stundenlang vor diesen Kisten hängen, die sie in eine andere Wirklichkeit führen, in der sie etwas von sich selbst zurücklassen“. Diese Beobachtung mag ausschlaggebend gewesen sein für ein Motto der „Volksgalerie“, nämlich die „analoge Welt zu retten, weil die Leute sich ansonsten verflüchtigen und nicht mehr sehen, wie wunderbar diese Welt ist....“

Ob die Welt nun schlecht ist oder dann doch wunderbar, vermögen wir hier nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall veranstaltet die „Volksgalerie“ eine Jubiläumsausstellung, in der Wolfgang Leonhardt einen Austellungsraum gestalten wird: Vom 1.10.2010 bis 7.11.2010 tägl. ab 21 Uhr in der Jansen Bar, Gotenstr. 71, 10829 Berlin

Außenausstellung jederzeit in der „Licht Galerie“, Akazienstr. 25, 10823 Berlin, U-Bhf. Eisenacher Straße.

Tekla Kubitzki

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Oktober 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis