5 Jahre Diakonieladen in Friedenau

v.l.n.r.: Frau Pavisic, Fr. Deutschendorf, Fr. Wolbrandt, Fr. Swiniarek, Fr. Gauter. Foto: Thomas Protz
Diakonie-Feier am 22.08.2010



Lebensmittel und Hausrat mit einer Prise Seelsorge

Eine energetische, etwas rundliche Frau steht neben der Ladentür des Hauses Rubensstraße 87, verteilt flugs Lebensmittelspenden auf einen kleineren Tisch. Dunja Deutschendorf ist ihr Name. Sie ist –und wirkt wie – die Verantwortungsträgerin vom Ort.


Viele Gäste nutzen den Tag der offenen Tür des neuen Diakonieladen im Rahmen seine 5-Jahres-Feier:
Mitarbeiter vor dem Diakonieladen Foto: Thomas Protz

Wenn angesprochen redet Deutschendorf wie sie arbeitet: Schnell, aber gebündelt. „Unser Diakonieladen kriegt nahezu jeden Wochentag eine Lebensmittellieferung. Mit amtlicher Bescheinigung, wie der Arbeitslosengeldbescheid, können hier hilfebedürftige Personen Verpflegung täglich aushändigt bekommen.“


Haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen des Diakonieladens. Foto: Thomas Protz

Der Diakonieladen ist das Leuchtturm-Projekt des Kirchenkreis Berlin-Schöneberg, der Diakoniestation Schöneberg und der evangelischen Philippus-Nathanael-Gemeinde, die am benachbarten Grazer Platz beheimatet ist. Das Projekt, das formell Leib und Seele – helfen mit Wort und Tat, eine evangelische Initiative gegen Armut“ heißt, feierte am 22.08.2010 sein fünf-jähriges Bestehen mit einem Gottesdienst, einer Besichtigung des Diakonieladens und einem Benefizkonzert. Laut Eigendarstellung ist der Diakonieladen "eine evangelische Initiative gegen Armut. Diakonie ist Dienst am Nächsten und stellt sich den Herausforderungen unserer Zeit. Sie begegnet der Not, deckt ihre Ursachen auf und schafft Abhilfe."

Seit 2 Jahren arbeitet die 38-Jährige Dunja Deutschendorf, Mutter zweier Kinder, im Projekt mit. In dieser Zeit wurde die Nachfrage aus der Umgebung immer stärker; der Laden müsste sich, infolge dessen, vergrößern. Der anliegende Geschäftsraum wurde angemietet, die beiden Läden wurden durch zwei Wanddurchbrüche verbunden. Nun hat sich die Auslagefläche verdoppelt, zu etwa 100 Quadratmetern.

Die neue gewonnene Fläche wird gut genutzt. In einer Hälfte werden Hausrat und Kleidung angeboten; auf der anderen Seite Lebensmittel. Die emsige Frau Deutschendorf deutet durch eine der beiden Ladentüren auf den Innenraum, in dem eine lange Tischfläche zu sehen ist. „Montags sind unsere großen Lebensmittelausgabetage. Zwischen 14 und 16 Uhr verteilen wir, mit Hilfe von bis zu 15 ehrenamtlichen Helfern, von diesem Tisch Vorräte an hilfebedürftige Einzelpersonen und Familien. Dafür wird ein Wartenummersystem benutzt – zu den Ausgabezeiten herrscht hier reger Betrieb.“

Aber nicht nur dann. Auch jetzt, an einem Dienstagmorgen, schwirrt die Kundschaft ständig herum, welche an den draußen aufgestellten Kleiderstangen und Wühltischen stöbern möchte. Einige laufen in den Diakonieladen hinein, beäugen die gespendeten Möbelstücke und Kleiderteile, die aus vielen Jahrzehnten stammen, genauestens. Es gibt auch eine Vielfalt an Babykleidung und Kinderspielzeugen. In dieser Fundgrube, wo für kleine Preise nicht nur das Brauchbare, sondern auch das Interessante gefunden werden kann, darf jeder Kunde sein. Preise werden nach Anfrage vergeben, ein bisschen Feilschen wird toleriert. Die Erträge fließen direkt in dass Projekt.

Eine Kundin mit leuchtendem Gesicht bleibt vor der Tür kurz stehen. „Ich komme wegen ihr“ – sagt sie über die nebenstehende Deutschendorf – „sie hält alles zusammen.“ Frau Deutschendorf bedankt sich mit einem herzlichen Lächeln. „Das Echo von denen, die herkommen, ist sehr positiv. Manchmal kommen die Menschen einfach so vorbei, um sich auszusprechen. Dafür nehmen wir uns auch Zeit“, erklärt sie mit bescheidener Zufriedenheit.

Eine ehrenamtliche Kollegin, „Kiki“ Wolbrandt, schaut auf Dunja Deutschendorf und schwärmt: „Ich muss sagen, der Laden hat sich in letzter Zeit bombig entwickelt. Es herrscht hier eine sehr nette, kollegiale Atmosphäre. Als Mitarbeiterin komme ich immer wieder gerne hierher – und so denken auch die anderen Ehrenamtlichen“.

Insgesamt arbeiten 24 Ehrenamtliche regelmäßig für den Laden; die meisten helfen montags bei der Lebensmittelausgabe. Drei öffentlich-geförderte Stellen gibt es dazu. Krista Memedi, Anna Pavisic und Evlan Cicek verrichten Ladenarbeit, helfen im Lebensmittelbereich mit. Jörn Herbst ist als Fahrer tätig, holt frühmorgens mit der ehemaligen Managerin Beatrice Boegel-Schmidtmann Lebensmittel von den unterstützenden Supermärkten ab, fährt später zu den verschiedenen Privatspendern, um Haushaltsrat und Bekleidung abzuholen. Frau Boegle-Schmidtmann kommt aus der Lebensmittelbranche und organisiert viele Lebensmittel spenden für den Diakonieladen.

Deutschendorf selbst hat als arbeitslose Freiwillige angefangen; danach hatte auch sie eine öffentlich-geförderte Stelle inne. Seit Anfang des Jahres bekleidet sie eine Position, die allein mittels Gelder, die von geworbenen Sozialsponsoren stammt, getragen wird. Darauf ist Deutschendorf sehr Stolz: "Ich bin ganz glücklich mit meiner Stelle, auch mit der Verantwortung, anderen zu helfen.“

Als hauptamtlicher Pfarrer der evangelischen Philippus-Nathanael-Kirchengemeinde ist Thomas Lübke auch Initiator und Geschäftsführer des Diakonieladens und der Sponsorengemeinschaft. Generalsuperintendent. i.R. Martin-Michael Passauer ist der Schirmherr des Hilfeprojekts. Lübke, geborene Friedenauer, Jahrgang 1961, ist Vater von vier Kindern und seit 1993 Pastor der Gemeinde. Als großer, kräftiger, bärtiger Brillenträger wirkt Pfarrer Lübke wie eine Mischung aus sorgendem Kiezpastor und scharfsichtigem Sozialunternehmer. Wie Deutschendorf redet er schnell, aber gebündelt. „Hier arbeitet ein gutes, verlässliches Team, dass das Projektkonzept umsetzt.“

Ein oberes Ziel der Unternehmung ist es „Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen – auch für unsere Mitarbeiter. Qualität braucht Kontinuität. Deshalb war es auch wichtig, die Koordinationsstelle für die tragende Mitarbeiterin“ – hier ist Frau Deutschendorf gemeint – „langfristig zu gewährleisten.“ Dazu wurde ein Verein gegründet und ein Sozialsponsoren-Logo für Berlin entwickelt. Die Stelle hat ihren Preis; sie kostet die Sponsorengemeinschaft Diakonieladen
Rubensstr. 87 e.V. ungefähr 26.500 Euro im Jahr, inklusive aller Nebenkosten. Trotzdem ist, dem Pfarrer zufolge, eine weitere selbstfinanzierte Stelle dringend notwendig, sofern die Spendeneinnahmen, die großteils aus der Berliner Wirtschaft stammen (zurzeit: die Bruderhilfe-PAX Familienfürsorge (Detmold)  und PSD Bank Berlin-Brandenburg), aufgestockt werden können.

Die Sponsorengemeinschaft läuft unter der Schirmherrschaft des Berliner Diplom Betriebwirts Jörg Woltmann, der Vorstand und Alleinaktionär der Allgemeinen Beamten Kasse Kreditbank AG sowie Eigentümer und Alleingesellschafter der Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH ist. Eine Medienpatenschaft wird durch den Radiosender RS2 gewährleistet.

Ein dreistufiges Spendenlogosystem dient der Öffentlichkeitsarbeit: Gold für 10.000-Euro-Spender, Silber für 6.000, Bronze für 3.000. Dazu kommt ein weißes Logo für Sachspender. Das Sozialsponsor-Logo, das ein Scherenschnitt eines Menschen mit einem ausgestreckten Arm in den jeweiligen Spendenfarben darstellt, ist beim Patentamt geschützt. Bronze-Sponsor für 2010 sind die PSD Bank Berlin-Brandenburg eG und die Bruderhilfe-PAX Familienfürsorge.

Geschäftliche Transparenz - auch dafür steht das Spendenlogo - ist für Lübke eine Selbstverständlichkeit. Sie hat für ihn oberste Priorität. Aktuelle Hilfestatistiken werden auf der Projektwebsite dargestellt. Spendenbescheinigungen gibt es bei jeder Schenkung. Gelder aus der Sponsorengemeinschaft, betont Lübke, fließen direkt -- dass heißt nicht über Vermittlerorganisationen -- zu den verschiedenen Projekten, die im Laden angesiedelt sind. Die Sachspender, von denen der Diakonieladen direkt abholen darf, werden auf der Website genannt.

Zurück zum Diakonieladen: Alltagshilfe, mit Wort und Tat

Ein Mann, mittsechzig, schreitet vor dem Laden auf den Pfarrer zu. Sie begrüßen sich mit einem Handschlag. Der Mann bedankt sich bei Lübke, reicht ihm eine Musik-CD mit Werken des englischen Filmkomponisten Michael Nyman. Die Beiden unterhalten sich kurz über die Musik, verabschieden sich mit einem weiteren Handschlag. Lübke wird einen Augenblick nachdenklich. „Er ist Mitglied der Gemeinde; seine Mutter ist vor kurzem gestorben. Gestern war die Beerdigung. Für die musikalische Begleitung der Trauerfeier hat er diesen Komponisten ausgewählt. Ich muss sagen, die Klavierstucke waren sehr schön, sehr meditativ. Das passte sehr gut zum Begräbnis.“

Nun schaut Lübke um sich herum. „Es ist wichtig, dass das Geschäft hier in der Straße als Anlaufstelle angenommen wird“, meint Pfarrer Lübke. „Das prägt natürlich unser Kirchenprofil. Hinzu kommen die positiven Spuren, die wir in der Nachbarschaft hinterlassen. Unserer Laden erweckt den Eindruck, dass etwas gegen die steigende Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit getan wird.“ Aber nicht nur für Friedenauer, wie Lübke weitererklärt. „Es kommen Kunden von überall aus der Berliner Umgebung zu uns. Aus Spandau, zum Beispiel, oder Pankow. Auch welche aus Teltow. Man sieht: Der Laden leistet Gutes, und das Gute hat sich gut rumgesprochen.“

Pfarrer Lübke zeigt nun auf das Haus selbst, das von der Kirche im Jahre 2000 erbaut wurde. Es ersetzte einen Nachkriegs-Flachdachbau. Über dem Erdgeschoß befinden sich 5 Wohnetagen. Der Architekt Ralf D. Dähne aus Berlin hat den Neubau so entworfen, dass er sich nahtlos in die solide Zwischenkriegsarchitektur, die in der Gegend vorherrscht, einfügt.

Im Diakonieladen werden nicht nur materielle und substanzielle Bedürfnisse gedeckt. Auch Anfragen nach gesundheitlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen sowie seelischen Belangen werden bedient. Projekte wie das des Kreuzbundes Berlin, das Hilfe für Suchtkranke und deren Angehörigen anbietet, stehen gleichrangig mit anderen wie "Nimm „Kurs auf Gott“!", die den christlichen Glauben mit wöchentlichen Videothemen- und Essens-Abenden präsentiert. Eine Schülerfördergruppe, ein Beratungscafé, eine Rechtsauskunft und ein Kurs in Haushaltsführung sind an verschiedenen Tagen auch im Angebot. Aktuelle Informationen sowie Angaben zur Spendertätigkeit sind auf der Homepage www.diakonieladen-berlin.de zu erhalten.

Die Hauptidee des Diakonieladens und deren jetzige und künftige Tochterprojekte, sei, Lübke zu Folge, "die Menschen aufzubauen, damit sie sich wieder selbstständig ernähren können." Am Ende steht die Reintegration als Erfolgsziel. "Das schönste ist es", sagt Lübke weiter, "wenn ein Kunde oder eine Kundin vorbeischaut und sagt "heute ist dass letzte mal, dass ich hierher komme. Es hat geklappt!" Normalerweise bedeutet dass, dass der- oder diejenige eine Erwerbstätigkeit angenommen hat; kann aber auch sein, dass das Leben nun auf der seelischen oder gesundheitlichen Ebene stimmt."

Bis dieses Ziel erreicht ist, wird immer noch Hilfe zur Selbsthilfe durch den Diakonieladen gewährleistet. Da steht die leitende Mitarbeiterin Dunja Deutschendorf gut zu Rat, auch bei der Essensplanung.

"Schau mal hier", sagt sie mit ihrem einladenden Lächeln, als sie auf den kleinen Tisch mit den Lebensmittelspenden, das vor dem Laden steht, deutet. "Alles geht ganz einfach und dabei komplett kostenlos. Hier sind einige Gurken, da ein Paar Zwiebeln und hier noch ein Beutel mit Kartoffeln. Drin im Kühlschrank habe ich auch Sahne und Speckwürfel. Und so geht’s: die Kartoffeln schälen und in einem mit kaltem Wasser gefülltem Topf aufkochen, dazu eine Prise Salz. Die Zwiebeln schneiden und in einem Topf zusammen mit den Speck und etwas Bratöl andünsten. Während diese schmoren, die Gurken schälen und in größere Würfel schneiden. Die Gurken mit etwas Wasser zu dem Speck und Zwiebeln geben, den Topf auf kleinere Flamme stellen und Deckel zu. Wenn die Gurken weich sind -- es dauert nur einige Minuten -- wird das Päckchen Sahne dazu gegeben. Die Kartoffeln abgießen, die Gurken ein paar Mal umrühren, die Soße ein bisschen nachwürzen und -- fertig! Da hat man eine wunderbare Mahlzeit -- Schmorgurken mit Salzkartoffeln!"

Altdeutsche Hausmannskost ist vielleicht nicht jedermanns oder -fraus Geschmack. Aber mit einem hat Deutschendorf Recht:  Personen mit wenig Mitteln können mit guter Planung, ein bisschen Geduld und den richtigen Zutaten eine nahrhafte Mahlzeit für sich und andere zusammenzaubern. Dabei ist eine Prise Hilfe – und Seelsorge – im Diakonieladen in der Rubensstraße 87 immer vorhanden.


von T. W. Donohoe

www.diakonieladen-berlin.de
Diakonieladen Rubensstr.87
Leib und Seele – helfen mit Wort und Tat.
Eine evangelische Initiative gegen Armut.
Rubensstraße 87
12157 Berlin

Pf. Thomas Lübke
Telefon: 0160 / 845 80 82

Der 6. Benefiz-Abend zugunsten des Diakonieladens Rubensstraße 87 findet am Samstag, den 04.09.2010 um 20:00 im „Never Never Land“ in der Cranachstraße 55, 12157 Berlin, statt. Musiker F. Micha spendet seine Gage, und das „Never Never Land“ von jedem Getränk 1 Euro, für den Diakonieladen. Auch der Obolus von 2 Euro, der am Einfang entgegengenommen wird, ist in voller Höhe für den Diakonieladen und damit für einen guten Zweck bestimmt.


Fotogalerie unter: www.stadtteilzeitung-schoeneberg.de/5jahrediakonieladenrubensstrasse/

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September 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis