Der Titania-Palast
Vom Rummelplatz zum Filmpalast

Als der Stummfilm sich aus den Jahrmärkten und kleinen Ladenlokalen herausgearbeitet hatte, begann man ihm Paläste zu bauen. Das war auch die Geburtsstunde des Titania-Palastes, des ersten großen Luxuskinos, das außerhalb der City errichtet wurde und auf dessen Standplatz sich zuvor tatsächlich ein Rummelplatz befunden hatte.

Der Titania-Palast Dezember 1927 aus DER TITANIA-PALAST Edition Hentrich 1992.JPG (39768 Byte)

Ich bin sozusagen in seinem Schatten aufgewachsen, ein so großes Gebäude war selbst von einem kleinen Kind nicht zu übersehen. Schon bevor ich die Feinheiten der eigenwilligen und neuartigen Fassade schätzen lernte, mochte ich sie, weil ich die stuckverzierten Häuser in Rhein- und Schloßstraße so "altmodisch" fand. Und erst der Turm mit seinen Lichtbändern, die manchmal abends die Gegend erleuchteten! Aber richtig spannend wurde es erst, als ich ihn auch von innen kennenlernte: er wurde meine Märchenhöhle mit den blau-rot-golden bemalten Samtwänden mit den kreisrunden Mustern, den geschwungenen Balkons, den gebogenen Türrahmen und Geländern, der leuchtenden Kuppel an der Decke. Und erst die Orgel, die sich in großen Bögen über der Bühne wölbte und uns vor den Vorstellungen musikalisch unterhielt, wobei sie in wechselnden Farben erstrahlte!

(Der geniale Einfall meiner Mit-Autorin Marina Naujoks mit der Elfenkönigin Titania im nebenstehenden Artikel zielt also genau in die richtige Richtung!) Das gefiel dem Kind, und auch die Presse war des Lobes voll, wenn auch die Vossische Zeitung von einer "seltsamen, sogar peinlichen Mischung von Feierlichkeit und Bluff" schrieb. Die Meinungen waren also geteilt.

Die Eröffnung des Titania-Palastes als "Luxus-Volkskino" im Januar 1928 war ein großes gesellschaftliches Ereignis, bei dem der Hoffnung Ausdruck verliehen wurde, daß das Niveau des Steglitzer und Friedenauer Lokalpublikums (die Grenze zwischen den Bezirken verlief damals direkt durch den Zuschauerraum!) durch den neuen Filmpalast gehoben werde... Uraufführungen von großen (zunächst noch Stumm-) Filmen fanden im Titania-Palast statt, Stars wurden in der Schloßstraße gesichtet und bejubelt und brachten mondänes Premierenpublikum in die Vorstadt. Wenn auch in erster Linie als Kinopalast konzipiert, gab es aber auch andere Veranstaltungen: Varietéprogramme, Märchenaufführungen, Kulturveranstaltungen und Vorträge (u.a. der Bezirksämter) und Konzerte. Die Berliner Philharmoniker waren von Anfang an dabei, trotz der schlechten Akustik; denn obwohl das Haus auf dem neuesten technischen Stand war, hatte offenbar niemand an die Akustik gedacht - sie war und blieb die Achillesferse des Titania-Palastes.

Durch immer wieder vorgenommene Umbauten wurde das ursprüngliche Konzept des Titania-Palastes nach und nach verwässert. Ein heller Innenanstrich beseitigte den "Märchencharakter", erhielt aber die ausgeklügelte Formensprache, die dann späteren Veränderungen zum Opfer fiel. Die Orgel verschwand, und schließlich rückte man auch der Außenfassade zu Leibe: die ersten Berliner Filmfestspiele bescherten ihr von Glühbirnenreihen beleuchtete Spiegelwände im Eingangsbereich...

Durch die weitgehende Zerstörung der großen Säle in Berlin wurde der Titania-Palast in der Nachkriegszeit zu einem wichtigen Veranstaltungsort und kulturellem Zentrum, nachdem die amerikanischen Besatzungstruppen das Haus zuerst besetzt und dann nach und nach freigegeben hatten. Die Gründung der FU wird 1948 hier gefeiert, ebenso 1954 die Wahl von Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten. Leo Borchard, Wilhelm Furtwängler und Sergiu Celibidache dirigieren die Berliner Philharmoniker (das erstemal bereits 3 Wochen nach Kriegsende!), Yehudi Menuhin gibt Violinkonzerte; Marlene Dietrich besucht ihre Heimatstadt und tritt im Titania-Palast auf (nicht von allen gern gesehen...); Hausfrauennachmittage im Stil der noch fernsehlosen Fünfziger finden statt. Und natürlich werden auch wieder Filme gezeigt - die alte bunte Mischung also.

Was soll man zum heutigen Zustand des Titania-Palastes sagen? Leuchtreklamen statt Lichtarchitektur, in den Eingangsbereich zog ein Schuhgeschäft ein (wären es doch wenigstens Luxusschuhe!), und auch die Seitenfront beherbergt Billigläden. Aller Glanz, alle Schönheit dahin! Wenigstens die wieder eröffneten Kinosäle bringen ein Publikum ins Haus, das immer noch bereit ist, sich von der Filmindustrie verzaubern zu lassen!

@ Sigrid Wiegand
Redaktion Stadtteilzeitung

 

Februar 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

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