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Der alte Märchenbrunnen hinter Wertheim wurde abgerissen. Foto: Thomas Protz

20 Kastanien-Setzlinge für den Harry-Breslau-Park!


Kompensationsbäume? Nie gehört? Hatte ich auch nicht. Bevor ich Ende 2009 im Raum E 201 des Rathauses Steglitz-Zehlendorf die Ausstellung zum Bebauungsplanverfahren „Boulevard Berlin“ vorfand. Fraglich bleibt, ob es genützt hat, sich dort in Baupläne einzulesen. Egal wie bürgernah das Amt für Bauen, Stadtplanung+Naturschutz dazu ermunterte, eigene Vorschläge einzubringen.

„Die rotblühende Rosskastanie wird aufgrund des hohen Stammumfangs und der guten Vitalität als Erhalt angenommen“, so in dem vom Institut Ökoplan erstellten Gutachten. Schade nur, dass diese Kastanien bereits gefällt worden waren. Gesunde Bäume. Zuvor hatte ich geglaubt, dass sie von der Minier-Motte befallen waren. Der Mitarbeiter der Behörde klärte mich auf, dass die Baumschutzverordnung massiv gelockert worden ist. Alte Bäume fällen? Für Investoren kein großes Problem mehr.

„Bebauungspläne können mitunter große Veränderungen in ihrem Umfeld bewirken.“ Stimmt. Unter anderem führen sie dazu, dass Schriftstellerinnen ihre Arbeit am heimischen Schreibtisch mit einem knallroten Profi-Lärmschutz verrichten. Das Einschlafen wurde durch Kompressoren erschwert, die das Austrocknen des neuen Karstadt-Parkhauses beschleunigten. Wer braucht schon Schlaf, wenn man shoppen kann?

Zurück zum Raum E 201. Warum kann mein Geist sich nicht davon lösen, dass das klingt wie ein Insektengift? Wenn Sie da waren, haben Sie dann Ihren Mitbürgern vom Motorsägentod der 91 Bäume erzählt, die auf der Bauzeichnung mit rot markiert waren? In der Presse habe ich davon nichts gelesen. Einige dieser Bäume sollen nun durch Kompensationsbäume „ersetzt“ werden, aber wann? Folgende Frage kommt einem buddhistischen Koan gleich: Wie „ersetzt“ man eine Allee alter Kastanien?

Zutraulich geworden durch das Wort Bürgernähe schrieb ich dem Amt für Bauen, Stadtplanung + Naturschutz. Der Brief war freundlicher als dieser Artikel. Der Kraft des Bebauungsplanverfahrens vertrauend, wollte ich mich „einbringen“, wie es in der ausgelegten Broschüre hieß. Mein Vorschlag für historisch-ökologische Kompensationsbäume blieb bis heute ohne Antwort.

Durch einen Artikel im Tagesspiegel erfuhr ich vom Anne-Frank-Baum in Amsterdam, einer 150 Jahre alten Kastanie. Anne Frank erwähnt sie häufig in ihrem weltberühmten Tagebuch. Setzlinge dieses Baums werden nun in alle Welt geholt - warum nicht auch nach Steglitz? „Rilke-Rabatten könnte es auch geben!“ warf meine Freundin ein. Ich dachte gleich an Kafka-Krokusse. Kein Witz - immerhin wurde eine Pompondahlie nach ihm benannt. „Im Untersuchungsgebiet wurden während der 3 Begehungen insgesamt 4 Fledermausarten nachgewiesen. Alle 4 Arten gelten in Berlin nach der Roten Liste als gefährdet.“ Macht ja nichts. Wahrscheinlich gibt es auch Kompensationsfledermäuse. Aber Schluss mit Zynismus.

Nun wissen Sie, was Kompensationsbäume sind. Kann ich Sie überzeugen, mit mir eine Anwohner-Initiative zu gründen? Wir könnten uns die Kompensatoren nennen! Im Ernst: Bitte helfen Sie mir, 20 Setzlinge der Anne-Frank-Kastanie nach Steglitz zu holen. Sicher macht es gemeinsam mehr Spaß, Briefe zu schreiben, die nicht beantwortet werden.
Treffpunkt: Am Zaun im Harry-Breslau-Park
Samstag, 5. Juni, 15 Uhr. Nett wäre ein Picknick mit Literatur + Musik. Näheres unter: 791 72 66 oder info(at)mondegrin.

Sarah Mondegrin

Fotos vom alten Park und von der Baustelle finden Sie im Internet unter www.steglitz.de/wertheim/

Links: www.annefranktree.com

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Mai 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis